Themen / Leadership, Digital, Interview 01.01.2017
Autor: NoéMie Schwaller / / Bild: Jerry Gross

To be engaged, enabled and energised

Adrian Gostick ist Mitgründer der globalen Beratungsagentur „The Culture Works“, die Organisationen zu leistungsstarken Arbeitskulturen verhilft. Wir konnten ihm im Zusammenhang der Sales Power Fachkonferenz ein paar Fragen stellen.

Swiss Marketing Forum:

Herr Gostick, Mitarbeiter-Engagement wird bei Ihnen hoch geschrieben. Inwiefern sehen Sie dies als externe oder persönliche Aufgabe und wo ist die Grenze zwischen Motivation und (innerlichem) Zwang?

Adrian Gostick:

Einige Autoren argumentieren, dass sich extrinsische Motivation negativ auf die heutigen Wissensarbeitenden auswirken kann und dass die meisten produktiven Leute praktisch ausschliesslich intrinsisch motiviert sind. Sie sagen, dass Mitarbeitende dann erfolgreich arbeiten, wenn sie ihr Wissen eigenständig und zweckgerichtet einsetzen können. Diese Ansicht der menschlichen Motivation mag aus der Distanz zutreffen, aber wir wissen auch, dass es sich sehr viel komplizierter verhält, wenn es um die individuelle Motivation geht. Zu verstehen, was jede und jeden in ihrem Team motiviert, ist unabdingbar, wenn Sie wissen möchten, weshalb jemand im Team bei der Arbeit nicht so motiviert ist – insbesondere dann, wenn alle anderen im gleichen Team alles geben.

Von innen kommende Motivation ist nicht alles, und von aussen angeregte Motivation ist nicht grundsätzlich schlecht. Wenn finanzielle Belohnungen und andere extrinsische Faktoren völlig unwirksam oder gar kontraproduktiv wären, wären Firmen und Chefs aus der Verantwortung genommen. Aber die extrinsische Motivation völlig ausser Acht zu lassen, wäre falsch. Wir haben selbst x-fach von Mitarbeitenden auf der ganzen Welt immer wieder in ähnlichen Worten gehört, was eine junge Frau uns kürzlich erzählte: „Vor zwei Jahren schickte mir der Geschäftsführer einen wunderbaren Dankesbrief. In schwierigen Zeiten nehme ich seine Zeilen hervor und lese sie. Ich schöpfe heute noch neue Energie daraus.“ Anerkennung motiviert diese Frau. Was motiviert Ihre Mitarbeitenden?

Swiss Marketing Forum:

Worin sehen Sie die Möglichkeit, die drei Prinzipien der Motivation als Treiber der Unternehmens-Performance – to be engaged, enabled and energised – konstant hoch zu halten?

Adrian Gostick:

In unserer Studie mit 300’000 teilnehmenden Personen haben wir herausgefunden, dass Manager von Hochleistungsorganisationen massiv bessere finanzielle Ergebnisse erreichen als ihre Berufskollegen. Sie haben nicht nur ein sehr hohes Niveau an Engagement geschaffen – das heisst eine starke Mitarbeiterbindung an die Firma und den Willen, noch etwas mehr zu leisten – sondern auch ein Umfeld, das Produktivität und Leistung fördert und in dem sich die Mitarbeitenden befähigt fühlen. Und letztlich verhelfen sie den Mitarbeitenden zu einem allgemein besseren Wohlbefinden und zu mehr Antrieb bei der Arbeit. Anders gesagt: Die Leute fühlen sich angetrieben und voller Energie. Dieses dreifache Zusammenspiel von Engagement, Befähigung und Antrieb fanden wir in jeder der untersuchten, hoch profitablen Arbeitskulturen. Es ist eine einzigartige Kombination, die jedes Unternehmen, jede Abteilung oder jedes Team neue Höhen erreichen lässt.

Bild: Jerry Gross

Swiss Marketing Forum:

Heat Map: Wo liegen momentan die heissen Themen und grössten Herausforderungen im Verkauf und Verkaufsmanagement?

Adrian Gostick:

In der Diskussion um den Faktor Mensch in der Verkaufsmotivation ging es in der Vergangenheit hauptsächlich um Entschädigung. Was wir bei den effizientesten leitenden Verkaufspersonen sehen, ist ein Wegkommen von einem allgemeingültigen Universalansatz in Bezug auf die Motivation. Sie realisieren, dass jede und jeder ihrer Mitarbeitenden einmalig ist und durch individuelle Motivatoren angetrieben wird. So erleben wir beispielsweise in Verkaufsorganisationen, dass „Etwas bewirken“ effektiv der häufigste Motivator der Verkaufspersonen ist, vor „Lernen“ an zweiter Stelle, während „Geld“ weit zurückfällt. Das bedeutet nicht, dass Geld unserem Verkaufspersonal unwichtig wäre, überhaupt nicht. Aber wir konnten zeigen, dass individuelle Bedürfnisse schwerer wiegen, als mancher Experte zugeben würde. Individuen sind höchst unterschiedlich in Bezug darauf, was sie glücklich macht. So brauchen jene einen Wettbewerb, Siege und Wohlstand, während andere vielleicht zufriedener sind, wenn sie wissen, dass sie gebraucht werden und den Kontakt mit anderen pflegen können. Wir müssen herausfinden, was jeden von uns antreibt und die Arbeit mehr danach ausrichten.

Swiss Marketing Forum:

Welchen Einfluss hat die erhöhte Digitalisierung von Geschäftsprozessen auf den Direktverkauf? Wie wird in Zukunft persönlich beraten?

Adrian Gostick:

Wir alle haben Erfahrung mit der nahtlosen Integration von Dienstleistungen wie bei Amazon oder Apple – jetzt erwarten unsere Kunden, dass auch wir Produkte und Dienstleistungen auf diese Weise liefern. Um diesen Erwartungen gerecht zu werden, müssen wir mehr tun, als bloss bestehende Abläufe zu automatisieren. Wir müssen ganze Geschäftsabläufe neu erfinden. Das heisst, wir müssen die erforderlichen Schritte abkürzen, die Anzahl Dokumente reduzieren, eine automatisierte Entscheidungsfindung entwickeln und – am allerwichtigsten – wir müssen das Personalmanagement ändern. Organisationsstrukturen und Funktionen müssen geändert und Leute umgeschult werden, um mit den neuen Prozessen schnellere und bessere Entscheidungen sowie einen effizienteren Kundendienst zu ermöglichen.

Bild: Jerry Gross

Swiss Marketing Forum:

Wie lassen sich Investitionssicherheit und Ressourcenverfügbarkeit in Anbetracht der zunehmenden Wettbewerbsintensität garantieren?

Adrian Gostick:

In den Hochleistungsarbeitskulturen, die wir untersucht haben, zeigen die Daten deutlich, dass die leitenden Personen den Ton angeben müssen, um zu gewährleisten, dass im Wettbewerb die richtigen personellen Ressourcen verfügbar sind, und um die eigenen Leute zu begeistern, damit sie zum Unternehmenserfolg beitragen. Sie müssen eine persönliche Verbindung zur Geschäftstätigkeit und zu den sich mit der Zeit verändernden Umstände aufbauen, eine offene und absolut vertrauensvolle Umgebung schaffen und die besten Leute behalten, und zwar vom Geschäftsführer bis zum Neuzugang. Gute Leader sind treibende Kräfte der Arbeitskultur. Und gute Arbeitskulturen ziehen die richtigen Leute an, die wissen, wo sie hineinpassen und wachsen können. Echte Leaders können dieses Potenzial erschliessen.

Swiss Marketing Forum:

Was sind Ihrer Meinung nach die unabdingbaren Kriterien für eine langfristige Kundenbindung im Einzelhandel?

Adrian Gostick:

Die meisten guten Manager haben inzwischen verstanden, dass ihr grösster Wettbewerbsvorteil in ihren Leuten liegt – aber nur wenige wissen, wie sie ihre Mitarbeitenden voll und ganz begeistern können, das heisst, sie dazu bringen können, dass sie mit den Vorgesetzten mitziehen, die Vorstellungen und die Strategie leben und bereit sind, den Extraeinsatz zu leisten, der zu herausragenden Ergebnissen führt. Nein, wenn Sie nicht gerade den iPod Ihrer Branche erfunden haben, ist es wahrscheinlich, dass Ihre Konkurrenz mehr oder weniger die gleichen Produkte zum gleichen Preis anbietet. Das Geheimnis, ein Einzelhandelsgeschäft erfolgreich zu machen, liegt darin, dass die Mitarbeitenden Sie von den anderen abheben. Stephen Sadove, pensionierter Vorsitzender und CEO des Warenhausriesen Saks Incorporated, sagte: „Wenn ich mit der Finanzwelt spreche, fragen die Investoren vor allem nach deinen Ergebnissen, nach deinen Strategien, nach den Problemen und danach, was du tust, um dein Geschäft anzutreiben. Nie wird nach der Arbeitskultur gefragt.“ Aber, schloss er, die Kultur sei die treibende Kraft hinter „allem, was du im Unternehmen vollbringen willst: Innovation, Ausführung - egal, was es ist. Und das wiederum bringt dann Erfolge.“ Sadove weiss, dass mit einer funktionierenden Kultur alles andere besser funktioniert.

Swiss Marketing Forum:

Sie werden als Experte an der Sales Power auftreten. Worin sehen Sie die Wichtigkeit dieser Fachkonferenz und worauf freuen Sie sich am meisten?

Adrian Gostick:

Als Geschäftsinhaber verstehe ich natürlich, dass nichts ohne den Verkauf läuft. Deshalb ist die Sales-Power-Konferenz so wichtig für unseren gemeinsamen Erfolg. Ich nehme an einem Event wie diesem teil, um Einsichten in Bezug auf die menschliche Komponente zu gewinnen. An der Sales Power erwarte ich, innovative Strategien von Schweizer Geschäftsführern kennenzulernen, mit denen bei den Mitarbeitenden für Engagement, Befähigung und Antrieb gesorgt wird. Ich freue mich darauf, mehr zu erfahren.

Über Adrian Gostick

Adrian Gostick (geb. 1965) ist Mitgründer der globalen Beratungsagentur „The Culture Works“, die Organisationen zu leistungsstarken Arbeitskulturen verhilft. Er besitzt einen Master-Abschluss in Leadership von der Seton Hall University, an welcher er als Gastdozent zum Thema Workplace Culture unterrichtet. Adrian Gostick hatte schon Auftritte in der NBC’s Today Show sowie auf CNN, und seine Bücher wurden in 30 Sprachen übersetzt.

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